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Ernst Vitek

Mehr Wertschätzung, bitte...

Wir wissen alle aus eigener Erfahrung, wie gut es sich anfühlt, wenn uns Anerkennung und Achtung entgegengebracht werden, wenn wir positive Zuwendung, Lob und Dankbarkeit erfahren. Allerdings hat im Lauf der letzten Jahre Wertschätzung einen

„Kurssturz“ erfahren.



Menschen gehen miteinander unfreundlicher und rauer um, dies wird im Alltag deutlich. Die gesellschaftlichen Werte von Toleranz und Solidarität sind in den Hintergrund getreten. Entwickelt hat sich dies infolge der Vorherrschaft von Leistung und Profit und einer Zunahme von Egoismus. Auch die Digitalisierung des täglichen Lebens trägt dazu bei. Die Möglichkeit, sich in den sozialen Medien anonym zu profilieren, ermöglicht es vielen Menschen, ungeachtet früherer gesellschaftlicher Regeln und Umgangsformen, das soziale Klima zu vergiften.

Das Fehlen von Wertschätzung sowie erlittene Kränkungen können großen Schaden beim Menschen anrichten. Der Mensch ist ein Wesen, das auf Zuwendung und Lob angewiesen ist. Die menschliche Spezies benötigt positive Bestärkung, damit sich ein starkes Selbstbewusstsein entwickeln kann. So können Krisen und Belastungen besser bewältigt werden. Das Fehlen von Wertschätzung begünstigt psychische Probleme, führt zu Schwierigkeiten in Beziehungen und erhöht die Bereitschaft zu Aggression.


Polizeiarbeit hat sich verändert. Polizeiarbeit in Europa und speziell in Österreich hat in den letzten Jahrzehnten eine große Veränderung erfahren. Durch die Öffnung des Eisernen Vorhangs sind Täter und Tätergruppen nach Europa geströmt, welche dem Polizeiapparat zuvor unbekannt waren. Die Brutalität und Grenzenlosigkeit im Handeln dieser Täter übersteigt alle bisherigen Erfahrungen in der polizeilichen Tätigkeit.

Es dauerte lange, bis sich die Polizei und ihre Mitarbeiter auf die neue Situation einstellen konnten. Sprachbarrieren, andere Kulturwerte und teilweise Täter, die durch traumatische Kriegserfahrungen, Armut, Hoffnungslosigkeit und Resignation geprägt sind, haben dazu geführt, dass Polizeibeamte diesen Entwicklungen oft frustriert und nahezu hilflos gegenüberstehen. Es ist zu befürchten, dass die Kriminalität zunehmend brutaler wird. Es werden sich neue Erscheinungsformen von Verbrechen, insbesondere in der Cyberkriminalität sowie Tatbilder, welche zunehmend in den persönlichen Bereich von Menschen eingreifen, entwickeln.

Straftaten, welche an Rücksichtlosigkeit, Rohheit, Erbarmungslosigkeit kaum zu überbieten sind, nehmen immer mehr überhand, wie zum Beispiel Home-Invasions. Vor allem ältere und hilflose Menschen werden verstärkt Opfer von Straftaten. Sehr häufig werden deren Lebenssituation und ihre körperliche und geistige Beschaffenheit ausgenützt, um sie zu übervorteilen, in ihren persönlichen Lebensbereich einzudringen und sie an Körper, Gesundheit und Vermögen zu schädigen. Offensichtlich sind aber nicht nur diese Menschen als Opfer solcher Straftaten gefährdet, sondern auch solche, welche noch an Konventionen und Verhaltensweisen gewohnt sind, die ihre Vorstellungskraft bezüglich solcher Täter und Tatformen übersteigt. Bildungsgrad oder Lebenserfahrung der Betroffenen stehen den Tätern nicht im Wege. Psychologisch bestens geschult nutzen sie emotionale Situationen, Hilfsbereitschaft und Gutgläubigkeit der Geschädigten aus, um ans Ziel ihrer Taten zu gelangen.


Prävention. Um solchen Tatbegehungsformen möglichst entgegen zu wirken, ist von Seiten der Polizei eine umfassende Präventions- und Aufklärungsarbeit zu leisten. Dies erfordert eine präzise Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Überhaupt ist davon auszugehen, dass bei der Differenziertheit und der breiten Palette von Delikten die Arbeit der Polizei noch mehr Qualität erfordern wird.

Denkt man an die 1960er-, 1970er- und teilweise 1980er-Jahre zurück, zeigte sich damals ein ganz anderes Täterbild. Damals waren Straftäter zum großen Teil nicht im heutigen Ausmaß mobil und verübten ihre strafbaren Handlungen zumeist im eigenen lokalen Bereich. Sie sprachen vornehmlich die deutsche Sprache bzw. konnten sich in dieser verständigen. Die modi operandi waren in vielen Fällen den jeweiligen Tätern wegen ihrer Besonderheiten leicht zuordenbar.


Angriffe gegen Polizisten waren früher ein Tabu. Was aber in der heutigen Zeit überhaupt nicht mehr zutrifft ist, dass es eine gewisse Übereinkunft zwischen Delinquenten und der Polizei gab. Angriffe auf Polizeibeamte waren verhältnismäßig selten und wenn, dann konnte man gut dagegen vorgehen. Es war leicht möglich, die Tatausübenden den Gerichten zuzuführen. Bis zur Einführung des neuen Strafgesetzbuches konnten strenge Strafen wegen solcher Delikte verhängt werden. Das Strafgesetzbuch erlaubt nicht mehr diesen umfassenden Schutz von Beamten seitens des Gesetzes. Dementsprechend hat sich, bedingt auch durch die Liberalisierung der Gesellschaft, ein Verhalten gegenüber Exekutivbeamten herausgebildet, welches eine Gefahr für die physische und psychische Gesundheit derselben darstellt.

Während Übergriffe auf Polizisten früher eher selten waren, sind in der heutigen Zeit Polizistinnen und Polizis­ten erheblichen Gefahren ausgesetzt. Fast täglich wird in den Medien über Verletzungen im Zuge von Amtshandlungen bei Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamten berichtet.

Mangelnde Wertschätzung von außen und innen. Es ist also ohne Zweifel so, dass Wertschätzung und Achtung gegenüber Menschen, welche für die öffentliche Sicherheit sorgen sollen, in weiten Teilen nicht mehr gegeben ist. Auch die Medien tragen ihren Teil dazu bei und berichten über angebliches oder tatsächliches Fehlverhalten umfassend, manchmal wenig objektiv, beziehungsweise reflektiert. Die Seite der Polizei wird häufig nicht oder nur teilweise kolportiert, während der oder die Täter gerne als Opfer von polizeilichen Handlungen dargestellt werden. Dementsprechend kann es vorkommen, dass sich im Bereich der Polizei Frustration ausbreitet und sich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wenig wertgeschätzt und einer oft unfairen Kritik ausgesetzt fühlen.

Der Dienstgeber sieht sich bei einer großen Zahl der Fälle verpflichtet, gegen aufgezeigtes Fehlverhalten oder falsches Vorgehen entsprechend rasch und scharf vorzugehen. In einigen Fällen kommt es zu Vorverurteilungen, obwohl die inkriminierten Beamtinnen oder Beamten noch nicht oder nicht ausreichend zum Sachverhalt Stellung nehmen konnten. Wäre es da nicht angebracht, als Prüfender des Sachverhaltes beziehungsweise als Vorgesetzter eine neutrale Haltung einzunehmen und erforderlichenfalls Verständnis, bei aller notwendigen Reaktion auf Unregelmäßigkeiten, für entstandene Fehler zu zeigen? Schließlich sind auch Polizistinnen und Polizisten nur Menschen und Menschen machen bekanntlich aus Unwissenheit, aus einer Situation heraus oder aus momentanem Unvermögen, Fehler. Heißt es nicht: „Wo gehobelt wird, fallen Späne“?

Die Beamtinnen und Beamten haben, wie das polizeiliche Gegenüber, ein Anrecht auf Schutz ihrer Persönlichkeit, ihrer Privatsphäre und ihrer Rechte.


Autoritäre Führung. Kennt man die Unternehmenskultur innerhalb des Polizeiapparates, so haben sich in den letzten Jahrzehnten die Führungsstrukturen und das Führungsverhalten wenig verändert. Noch immer wird sehr autoritär geführt. Im Gegenteil scheint es so, als hätte sich die frühere Kollegialität verabschiedet und an ihre Stelle wäre ein wenig verständnisvolles, von oben herab praktiziertes Verhalten der Führungskräfte getreten.

Wie man in den Wald hinein schreit, so kommt es wieder heraus, lautet ein alter Spruch. Mangelnde Zufriedenheit und Frustration aufgrund des Drucks von außen seitens der Bevölkerung und der sich ausdehnenden kriminellen Szene sowie wenig zeitgemäße innere Unzulänglichkeiten in der Organisation tragen nicht zur Motivation der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei.

Vor kurzem erschien in einer bekannten Wochenzeitung ein Report über frustrierte und kündigende Beamte, welche sich über diese Umstände entsprechend äußerten. Einige von diesen Beamten haben der Polizei bereits, aufgrund dieser Dilemmata, den Rücken gekehrt und in einem anderen Beruf ihre neue Heimat gefunden.

Polizistinnen und Polizisten üben einen schweren, herausfordernden Beruf aus, der nicht ausschließlich aus dem Ausstellen von Strafzetteln besteht, sondern ein breites Aufgabengebiet umfasst. All das, womit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konfrontiert sind, kann auch psychisch belastend sein. Ein wertschätzendes Verhalten seitens der Bevölkerung, aber auch ein solches in der eigenen Organisation wäre da mehr als erforderlich.


Konstruktiv Kritik üben. Wenn von allen Seiten nur Druck auf diese Menschen ausgeübt wird und diese wenige oder gar keine Erfolgserlebnisse haben, ist die Fehleranfälligkeit noch viel größer. Um alldem vorzubeugen, ist dafür zu sorgen, dass Fehler entsprechend aufgearbeitet, sorgfältig und sachlich geprüft werden. Daraus folgend müssen Schlüsse gezogen werden, eine Änderung bezüglich des Umgangs mit Fehlern und deren Folgen soll in konstruktiver Art und Weise erfolgen.

Polizeiliches Wirken sollte sich den Gegebenheiten der Zeit, den Wandlungen der Gesellschaft und den sich immer größeren Herausforderungen entsprechend entwickeln. Eine moderne Polizei unterscheidet sich ganz erheblich von jener der 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahre. Ausrüstung und Ausstattung haben sich beträchtlich verändert. Nun wird es Zeit, dass sich auch die Kultur in und außerhalb der Polizei dementsprechend wandelt.











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