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Alfred Ellinger

Justizskandal...

... von Politikern geschürt, von Medien gemacht.



Altkanzler Sebastian Kurz und sein Kabinettchef  Bernhard Bonelli wurden am 23. Februar 2024 wegen Falschaussage vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen verurteilt. Nur drei Tage danach wurde durch die rechtlich erforderliche Veröffentlichung eines Disziplinarerkenntnisses des Oberlandesgerichtes Graz im Rechtsinformationssystem (RIS) bekannt, dass der Verfahrensrichter Michael Radasztics im Mai 2023 zu einer Disziplinarstrafe, einer Geldstrafe in der Höhe eines halben Monatsbezuges, verurteilt wurde.

Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass Richter Radasztics in seiner damaligen Funktion als Staatsanwalt, in der „Eurofighter-Causa“ seine ihm auferlegten Pflichten verletzt habe, indem er das Ermittlungsverfahren abbrach und es 2012 verabsäumte, den Beschuldigten (den ehemaligen Finanzminister) Karl-Heinz Grasser über das laufende Strafverfahren zu informieren. Darüber hinaus wurde ihm in der Causa Eurofighter vorgeworfen, dem ehemaligen Grün-Abgeordneten Peter Pilz im Jahr 2018 Informationen aus Ermittlungsakten erteilt zu haben. Wegen später zurückgezogener Rechtsmittel ist diese Disziplinarentscheidung erst im Dezember 2023 rechtskräftig geworden. Richter ist Michael Radasztics erst seit 1. Jänner 2023.

Nach der Veröffentlichung der Disziplinarentscheidung begann ein unüberhörbares Rauschen im Blätterwald. In reißerischer Aufmachung wurden konspirative Zusammenhänge vermutet. Die Justiz starte einen Vernichtungsfeldzug gegen den ehemaligen Kanzler Sebastian Kurz, ja überhaupt gegen die Regierungspartei, wurde insinuiert. Plötzlich befand sich der Richter, die gesamte Gerichtsbarkeit, das Justizminis­terium und die Justizministerin im Kreuzfeuer der Kritik. Die Justiz wurde belehrt, dass dieser Richter den Strafprozess gegen Kurz und Bonelli gar nicht hätte führen dürfen. Ja, die Justizministerin wäre gut beraten gewesen, für eine frühere  Veröffentlichung des Disziplinarurteils zu sorgen und Richter Radasztics als befangen abzuziehen. Es wurde sogar aus diesem eigentlich völlig unverdächtig erscheinenden Sachverhalt der mediale Schluss gezogen, die Justizministerin sei rücktrittreif. Dies, obwohl selbst für den juristischen Laien klar ersichtlich war, dass die seinerzeitige disziplinäre Verurteilung des Verhandlungsrichters Michael Radasztics noch in seiner Eigenschaft als Staatsanwalt, tatsächlich überhaupt nichts mit dem Strafverfahren gegen Kurz und Bonelli zu tun hat.

Seit 1.Jänner 2012 sind rechtskräftige, verfahrensbeendende Sachentscheidungen der Disziplinargerichte gemäß Art. 133a RStG zwar unverzüglich von dem Vorsitzenden des Disziplinargerichtes in anonymisierter Form im Rechtsinformationssystem des Bundes zu veröffentlichen. Weder das Bundesministerium für Jus­tiz, noch die Justizministerin haben darauf einen Einfluss. Dabei handelt es sich schlicht um das Grundprinzip der Gewaltentrennung in unserer Bundesverfassung.

Selbstverständlich ist jede Kritik an der Gerichtsbarkeit, an Straf- oder Zivilprozessen und auch an gerichtlichen Entscheidungen im demokratischen Rechtsstaat zulässig, ja sogar durchaus wünschenswert. Durch konstruktive Kritik können Fehler und Fehlentwicklungen aufgezeigt, die Transparenz gefördert, Gesetzeslücken erkannt und letztlich das Rechtssystem und die Rechtsprechung im wohlverstandenen Interesse der Bürger verbessert werden. Dadurch kann dann auch das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat gefördert werden. Also, kritische, aber faktenbasierte Berichterstattung ist durchaus erwünscht. Aber sensationsheischende Fake-News, nur um der Sensation willen, schaden nicht nur der Justiz, sondern auch dem Rechtsstaat.

Die Berichterstattung zahlreicher Medien, nach dem Bekanntwerden der disziplinarrechtlichen Verurteilung des Verhandlungsrichters Michael Radasztics, hat bei weitem den Rahmen jeder Sachlichkeit verlassen und war auf weiten Strecken diskriminierend.

Die oben dargestellte Berichterstattung, die angestellten Mutmaßungen über die Zielsetzung der Verurteilung des Altkanzlers und seines Mitbeschuldigten, in der ein Vernichtungsfeldzug gegen ihn und die politische Partei, deren Vorsitzender er war, nahegelegt wird, entbehren jeder Grundlage!

Entsprechend dem in Verfassungsrang stehenden Grundrecht auf den gesetzlichen Richter werden die Geschäfte unter den Richtern und Richterinnen eines jeden Gerichts im Voraus in der jeweiligen Geschäftsverteilung festgelegt. Diese Geschäftsverteilung kann nur durch einen Beschluss des zuständigen unabhängigen Personalsenates geändert werden. Eine, über einen Verhandlungsrichter verhängte Disziplinarstrafe, ist für sich alleine kein Grund, die Zuständigkeit dieses Richters aufzuheben. Weder dem Beschuldigten oder Angeklagten, noch dem Ankläger steht ein Antragsrecht zu, ein anderes Entscheidungsorgan als das nach der Geschäftsverteilung zuständige, zu verlangen. Andernfalls könnten sich Prozessparteien einen ihnen genehmen Richter aussuchen. Weder die Justizministerin oder der Justizminister, die Justizverwaltung oder gar Repräsentanten politischer Parteien, aus welchen Erwägungen immer, können auf die Geschäftsverteilung eines Gerichtes Einfluss nehmen. Wenn ein Angeklagter oder Beschuldigter meint, der zuständige Richter oder ein Angehöriger eines Richtersenates seien befangen, so steht ihm das Recht zu, das jeweilige Entscheidungsorgan mittels eines sinnvollerweise begründeten Antrags, abzulehnen. Erfolgt ein derartiger Antrag während der Verhandlung oder unmittelbar vorher, so entscheidet nach der Strafprozessordnung darüber der betroffene Richter oder Richtersenat vorläufig selbst über seine allfällige Ausgeschlossenheit. Wenn der Befangenheitsantrag rechtzeitig vor der Verhandlung gestellt wird, entscheidet der jeweilige Präsident oder die Präsidentin des zuständigen Gerichtshofes nach Anzeige des zuständigen Richters, der Richterin oder des Richtersenates über die allfällige Ausgeschlossenheit oder Befangenheit. Ein selbständiges Rechtsmittel steht unabhängig davon, wer über den Ablehnungsantrag zu entscheiden hat, nicht zu. Die  Parteien/Antragsteller können aber den behaupteten Aus­schließungsgrund in einer Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Ersturteil an das übergeordnete Gericht geltend machen.

Im Anlassfall, dem Strafprozess gegen Sebastian Kurz und Bernhard Bonelli, haben sich eine ganze Reihe von Medien vor lauter Empörung über eine „unfaire“ Justiz geradezu überschlagen. Man würde  nur halbwegs objektiven Journalisten doch zusinnen, dass sie sich über die aktuelle Rechtslage informieren, notwendige Recherchen anstellen, ehe sie sich von einer politischen Partei für deren Öffentlichkeitsarbeit instrumentalisieren und missbrauchen lassen. 

Ein derartiger Journalismus lässt sich von der Politik manipulieren und miss­brauchen und nimmt dabei nur wegen einiger falscher und irreführender Schlagzeilen, einen Vertrauensverlust der Bürger in die Rechtsprechung, ja in den Rechtsstaat, in Kauf.

Was aber, abgesehen von diesem, eher armseligen „Fake-Journalismus“ noch bedenklicher erscheint, ist, dass diese grundlose mediale Entrüstung von einer politischen Partei, noch dazu mit Regierungsverantwortung, nicht nur mitgetragen und ausgenützt, sondern durch Fernsehauftritte und Presseaussendungen aus offensichtlichem Parteiinteresse noch befeuert wurde. Ein derartiges Verhalten lässt schwere Mängel im Rechts- aber auch im Demokratieverständnis der verantwortlichen Politiker und Parteifunktionäre erkennbar werden.

Kein Ruhmesblatt für diesen Journalismus und diese Politik!











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