Seit über zehn Jahren klärt der Ermittlungsbereich 08/03 Brände und Explosionen in ganz Wien.

Hitze und Flammen, Rauch und giftige Gase, einsturzgefährdete Gebäude – Einsätze an Brandtatorten sind mit Risiken verbunden. „Der Schutz der Kollegen ist mir wichtig“, betont Chefinspektor Gerald Ryba, Leiter des Ermittlungsbereichs 08/03 – Brand- und Explosionsermittlung des Landeskriminalamts Wien. Der Sprengstoffkundige, Pyrotechniker und Strahlenspürer legt größten Wert auf eine gute Ausbildung seiner Ermittler, etwa bei Übungen gemeinsam mit der Wiener Berufsfeuerwehr. Auch Kollegen, die als Ersteinschreiter bei einem – noch nicht gelöschten – Brand eintreffen, sollten über das nötige Wissen verfügen, um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen.
Der EB 08/03 wurde vor gut zehn Jahren als Ergebnis einer schrittweisen Professionalisierung der Brand- und Explosionsermittlungen geschaffen. Diese Entwicklung hat Ryba von Anfang an mitverfolgt. 1990 trat er seinen Dienst bei der Wiener Polizei an, 2010 wurde er Bezirksbrandermittler in der Brigittenau. Zu dieser Zeit waren Brandermittlungen Aufgabe der Bezirkskriminalbeamten in den Polizeikommissariaten, später verlagerte sich die Zuständigkeit in die LKA-Außenstellen. Seit Oktober 2014 gibt es mit dem EB 08/03 eine eigene Einheit für die Bearbeitung von Brandereignissen in ganz Wien. Diese wurde von Chefinspektor Armin Ortner geleitet, der Ryba in seine Gruppe holte. Nach Ortners Pensionierung übernahm Ryba 2023 die Leitung.
Dem Ermittlungsbereich gehören seit seiner Gründung 18 Mitarbeiter an, die in drei Gruppen einen 24-stündigen Brandjournaldienst aufrechterhalten. Im Jahr 2023 bearbeiteten die Ermittler 1.276 Akte. Zu ihren Aufgaben zählen die Tatortarbeit, das Sichern von Beweismitteln und die nachfolgenden Ermittlungen. Dabei kooperieren sie mit anderen Ermittlungsbereichen, z. B. bei Mord, schwerer Sachbeschädigung durch Pyrotechnik oder Versicherungsbetrug.
Anforderungen. Kollegen, die in den EB 08/03 wechseln wollen, sollten laut Ryba vor allem Interesse an diesem Bereich mitbringen. Hilfreicher als Erfahrungen bei der Freiwilligen Feuerwehr ist technisches Wissen. Seine Ausbildung in Elektronik und Nachrichtentechnik an der HTL sei ihm bei der Brandermittlung zugute gekommen, so Ryba. Eine Tätigkeit im Kriminaldienst, z. B. als Kriminalsachbearbeiter, sieht er ebenfalls als gute Vorbereitung auf Brandermittlungen.
Wer sich bei der Arbeit nicht schmutzig machen möchte, ist an Brandtatorten definitiv am falschen Platz. Rauch und Ruß sind allgegenwärtig, mitunter muss man sich seinen Weg zum Brandherd durch den Schutt bahnen. Auch der Anblick von Brandleichen darf einen nicht abschrecken. Ryba hat damit kein Problem, das ist ihm schon bei seiner ersten Brandleiche bewusst geworden: Als junger Streifenpolizist wurde er zu einem Einsatz in einem Mietshaus gerufen, wo in einer ausgebrannten chaotischen „Messie-Wohnung“ die Leiche der Bewohnerin, einer alten Dame, lag.

Aus- und Fortbildung. Grundlegende Informationen, wie man bei Bränden oder Explosionen vorzugehen hat, werden in der Fachausbildung Kriminaldienst vermittelt. Im Rahmen der Kriminaldienst-Fortbildungs-Richtlinie erhalten Brandermittler eine Spezialausbildung. Alle zwei Jahre besuchen sie KDFR-Seminare zu speziellen Themen wie Brandentstehung, etwa durch Strom oder Chemikalien, mit Erklärungen anhand von Beispielen und Anschauungsmaterial. Bei KDFR-Seminaren über Explosionen werden auch Sprengungen vorgeführt, die Teilnehmer können selbst Versuche mit Pyrotechnik durchführen.
Eine besondere Übung organisierte Ryba für seine Mitarbeiter gemeinsam mit der Wiener Berufsfeuerwehr in der Hauptfeuerwache Wien-Floridsdorf. Die Brandermittler stiegen, ausgestattet mit einer kompletten Feuerwehrausrüstung inklusive Atemschutzgerät, in einen Container, in dem brennbares Material angezündet wurde. So konnten sie aus nächster Nähe gefahrlos einen Brand samt Rauchdurchzündung erleben.
Einsätze. Wenn Ryba und seine Kollegen zu einem Brandtatort gerufen werden, hat die Feuerwehr den Brand bereits gelöscht, feuerfeste Kleidung und schwerer Atemschutz sind daher für die Ermittler nicht erforderlich. Ihre Ausrüstung besteht aus einem staubdichten Einweg-Overall, säure- und wasserbeständigen Schutzhandschuhen, Feuerwehrstiefeln, einer Schutzbrille, einer partikelfiltrierenden Atemschutzmaske und einem Schutzhelm. Seit 2016 verfügt die Einheit über ein Einsatzfahrzeug, einen roten Bus, in dem alle nötigen Ausrüstungsgegenstände verstaut sind. Dazu zählen unter anderem ein Generator, ein Stromwandler für 220 V, ein 22 Meter langes Verlängerungskabel, eine Leuchte, Gefäße für Probenahmen und Büromaterial.
Am Brandtatort versuchen die Ermittler, den Zustand vor dem Brand aus dem Brandschutt zu rekonstruieren. Hinweise auf den Tathergang geben z. B. Einbruchsspuren oder Reste von Brandbeschleunigern. Der Brandherd kann oft anhand eines sogenannten Brandtrichters lokalisiert werden: Die Zerstörung breitet sich vom Ursprung des Brandes, wo sie am stärksten ist, trichterförmig nach außen aus. Bei Explosionen kann man feststellen, ob Sprengmittel zum Einsatz gekommen sind, erklärt Ryba: „Bei einer Gasexplosion ist der Schaden großflächiger. Sprengstoff erzeugt eine Schockwelle, es entsteht ein Explosionstrichter.“ Videos von Überwachungskameras können als Beweismittel dienen, sind aber häufig nicht verwertbar, weil bei starker Rauchentwicklung auf den Aufnahmen wenig zu erkennen ist.
Unterstützung erhalten die Brandermittler durch die Tatortgruppe, durch Chemiker, Kriminaltechniker und Hundeführer mit Brandmittelspürhunden, die auch marginale Spuren von Bandbeschleunigern erschnüffeln können. Brandbeschleuniger hinterlassen chemische Spuren, DNA-Spuren bleiben nach einem Brand nur selten erhalten. Manche Fragen lassen sich auch anhand des Feuerwehrprotokolls beantworten – etwa, ob Feuerwehrleute eine Tür aufgebrochen vorgefunden oder im Zuge ihres Löscheinsatzes aufgebrochen haben. Bei Großbränden können die Ermittlungen vor Ort wochenlang dauern.
Ersteinschreiter. Nicht bei jedem Brand rücken die Brandermittler aus. Ob ihr Einsatz erforderlich ist, lässt sich anhand der Informationen durch die als erste vor Ort eintreffenden Kollegen, in der Regel Streifenpolizisten, beurteilen: „Der Ersteinschreiter soll uns direkt anrufen, Journalklappe 33888, und schildern, was er sieht“, so Ryba. Für die Beschreibung des Brandgeschehens relevant sind das Ausmaß des Brandes, die Rauchentwicklung, die Angabe, was brennt, und der Hinweis auf gefährliche Stoffe, Explosions- oder Einsturzgefahr.
Auch über anwesende Personen sollte der Brandjournaldienst informiert werden: Ist die Feuerwehr vor Ort, löscht sie oder hat sie den Brand bereits gelöscht? Gibt es Verletzte oder gar Tote? Sind schon Rettungskräfte eingetroffen? Befinden sich weitere Personen am Brandort? Diese könnten z. B. als Zeugen Angaben zum Brandhergang machen. Da ein Bild oft mehr sagt als Worte, erleichtern Handyfotos den Brandermittlern die Einschätzung der Lage. Davon, dass Ersteinschreiter den Brandtatort betreten, rät Ryba dringend ab. Sie könnten einerseits Spuren zerstören, andererseits sich selbst in Gefahr bringen, etwa durch Einatmen giftiger Dämpfe.
Brandursachen. Die wenigsten Brände, die von den Brandermittlern bearbeitet werden, sind absichtlich gelegt worden. Ist das der Fall, handelt es sich meist entweder um den Versuch, Spuren von Verbrechen durch einen sogenannten Deckungsbrand zu zerstören, oder um Versicherungsbetrug. Der klassische „Feuerteufel“, der es gern brennen sieht, stellt eher eine Randerscheinung dar.
Der Großteil der Brände wird laut Ryba durch menschliches Fehlverhalten verursacht, z. B., wenn jemand eine Kerze unbeaufsichtigt brennen lässt oder vergisst, den Herd abzudrehen. Mit einer Zigarette in der Hand einzuschlafen, häufig in alkoholisiertem Zustand, kann ebenfalls eine Wohnung in Brand setzen. Für den Raucher tödlich endete auch der Fall eines an der Lungenerkrankung COPD leidenden Mannes im Rollstuhl, der ein tragbares Sauerstoffgerät verwendete. Die Kombination von Sauerstoff und einer angezündeten Zigarette führte laut Ryba zu einem Brand, bei dem der Mann und seine beiden Hunde ums Leben kamen.
Die Ursachen für Brände haben sich im Lauf der Zeit geändert. Christbaumbrände sind heute durch die Verbreitung von LEDs anstelle von Kerzen weniger häufig. Auch Brände durch Kurzschluss kommen seltener vor. Das liegt unter anderem am Ersatz veralteter Kabel mit brüchiger oder fehlender Isolierung. FI-Schalter haben in den meisten Wohnungen die früher gebräuchlichen Schraubsicherungen abgelöst, die mitunter „geflickt“ wurden, was bei Überlastung ebenfalls einen Kabelbrand verursachen kann.
Entgegen einer verbreiteten Meinung ist die Anzahl der Fahrzeugbrände weniger und nicht mehr geworden. Brände von E-Autos sorgen für Schlagzeilen, weil sie „spektakulärer“ verlaufen als bei Benzin- oder Dieselfahrzeugen. Mit Feuerlöschern lässt sich die Hitzeentwicklung im Inneren der Batterie nicht ausreichend eindämmen, daher behilft man sich oft damit, das Fahrzeug kontrolliert ausbrennen zu lassen. Beim Brand einer Elektoautobatterie werden giftige Gase freigesetzt.
Ein großes Problem stellen Lithium-Ionen-Akkus dar, die unter anderem in Smartphones und Notebooks, E-Bikes und E-Scootern, aber auch in elektronischen Spielsachen verbaut sind. Unsachgemäßes Laden, die Verwendung eines nicht geeigneten Ladegeräts, eine Beschädigung des Akkus oder Hitzeeinwirkung können dazu führen, dass der Akku zu brennen beginnt. Bei Billiggeräten mit schlechter Qualität sind zum Teil Herstellungsmängel, die einen internen Kurzschluss zur Folge haben, der Grund für einen Brand.
Wenn es in einer Wohnung zu brennen beginnt, breitet sich das Feuer schneller aus als früher. Das liegt an der Ausstattung, die zu einem wesentlich größeren Teil aus leichter brennbaren Kunststoffen, Verbundstoffen und Furnierplatten besteht. Dafür hatten Gebäude, die vor den 1950er-Jahren errichtet wurden, meist keine Brandabschnittstüren, welche die Ausbreitung von Feuer und Rauch auf andere Gebäudeteile verhindern.
Gas und Pyrotechnik. Zu einer Gasexplosion kann es kommen, wenn ausströmendes Gas durch einen Funken entzündet wird. Ryba kennt einige Fälle, in denen ein Suizidversuch durch das Einatmen von Gas in der Folge zu einer derartigen Explosion führte – etwa bei seinem zweiten großen Einsatz als Brandermittler im Jahr 2014: Ein 19-Jähriger sägte das Gasrohr in seiner Wohnung in der Äußeren Mariahilfer Straße ab und legte sich hin, um im Schlaf durch das ausströmende Gas zu ersticken. Er erwachte jedoch wieder und zündete sich eine Zigarette an, was zu einer verheerenden Explosion führte, die den Mann tötete. Zwei Stockwerke wurden zerstört, eine Frau in der darüberliegenden Wohnung verschüttet.
Seit rund zehn Jahren hat die Anzahl der Einsätze des EB 08/03 wegen Pyrotechnik deutlich zugenommen. In Wien sind vor allem der 10., 20., 21. und 22. Bezirk betroffen. Ryba und seine Kollegen werden gerufen, wenn es zur Zerstörung öffentlicher Einrichtungen wie Telefonzellen, Mistkübeln oder Postkästen in Gemeindebauten kommt. Die oft sehr jungen Täter verwenden auch verbotene pyrotechnische Erzeugnisse wie Kugelbomben, die sie im Ausland besorgt haben. Der Gefahr und der strafrechtlichen Konsequenzen sind sie sich meist nicht bewusst, so Ryba: „Vor allem zu Halloween und Silvester gibt es zahlreiche Sachbeschädigungen und Unfälle mit Pyrotechnik, die durch unseren Ermittlungsbereich geklärt werden.“
Comentarios