Vier von fünf Usern geben in Umfragen an bereits einmal Zeuge aggressiver Hate-Speech im Internet geworden zu sein. Jede bzw. jeder Fünfte gibt an, bereits selbst einmal Opfer gewesen zu sein. Hate-Speech ist ein Problem geworden in sozialen Medien. Die Folgen sind Stress, Angst, Selbstwertprobleme bis hin zu Übelkeit und Depressionen – vor allem bei unter 25-jährigen Frauen.
Die Vielfalt sozialer Medien hat es mit sich gebracht, dass Hate-Speech nicht nur in geschriebener Form vom Stapel gelassen wird, sondern auch in gesprochener. Die Forscherin Jana Neitsch und ihr Kollege Oliver Niebuhr haben dazu zwei Experimente durchgeführt. Im ersten haben sie Hate-Speech in Bezug auf zwei oft angegriffene Gruppen getestet, nämlich Ausländer und Islam-Gläubige. Entsprechende Aussagen sind den Versuchspersonen einmal in geschriebener Form präsentiert worden und einmal in gesprochener Form. Die Probanden haben dann angeben müssen, ob sie die Aussagen akzeptabel finden und ob sie meinen, sie sollten Konsequenzen für diejenigen haben, die sie aussprechen bzw. schreiben.
Am wenigsten akzeptabel und mit harten Konsequenzen belegt gehörten nach Ansicht der Versuchspersonen Aussagen mit Holocaust-Bezug und Aufrufe zu Hass. Der Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Sprache ist darin gelegen, dass Holocaust-Bezug und Imperative noch weniger akzeptabel betrachtet worden sind und mit noch härteren Strafen belegt worden wären.
Im nächsten Experiment sind zwei Komponenten dazugekommen: Die Forschenden haben sich angesehen, wie gesprochene und geschriebene Hate-Speech ankommen, wenn eine Freundin oder ein Freund neben einem sitzen, während man mit der Hate-Speech konfrontiert wird. Und man hat Gehirnströme mittels EEG gemessen.
Aus vielen anderen Studien weiß man, dass Pein und Leid leichter zu ertragen sind, wenn man in Gesellschaft ist, the „Power of Social Connectedness“ nennt man das. Genauso sollte es sich mildernd im Fall von Hate-Speech auswirken.
Sowohl in geschriebener als auch gesprochener Hate-Speech waren die Versuchspersonen im EEG in der Bedingung „alleine“ durch die Hate-Speech signifikant stärkerem Stress ausgesetzt, und zwar um durchschnittlich 24 Prozent. Die Intensität des emotionalen Erlebens war in der Bedingung „allein“ signifikant höher als in der Bedingung „in Gesellschaft“. Der Effekt war hier in der gesprochenen Sprache größer als in der geschriebenen – nämlich 17 Prozent in gesprochener gegenüber 9 in der geschriebenen Hate-Speech. Ein weiteres Resultat der beiden Experimente war: Hate-Speech wird intensiver wahrgenommen, wenn sie sich gegen eine ganz bestimmte Gruppe richtet, wie hier Muslime, und nicht nur wenn es allgemein gegen „die Ausländer“ geht.
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